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Vor ein paar Jahren kam eine Jugendstudie raus, die sich mit dem Thema «Dekonversion (oder Entkehrung) bei jungen Menschen» beschäftigte. Zwei christliche Forscher versuchten zu verstehen, wie es dazu kam, dass junge Menschen, die einmal aktiv im Glauben waren, sich irgendwann an dem Punkt wiederfanden, dass sie mit dem christlichen Glauben abgeschlossen hatten.

Die Studie zeigte, dass ein Abwenden vom einem zuvor aktiven Glaubensleben nicht nur eine Ursache hatte. Manche waren aus dem Glauben herausgewachsen, andere fanden bestimmte Ansprüche in ihren Gemeinden zu einengend. Viele junge Menschen, die ehemals gläubig waren, berichteten aber, dass es Momente in ihrem Leben gab, wo Zweifel hochkamen und sie innerhalb ihrer Gemeinde nicht Raum fanden, über diese Zweifel zu sprechen. Selten hatten sie mitbekommen, dass es auch durchaus in Ordnung, ja sogar eine zentrale Erfahrung im Glaubensleben ist, wenn man durch Zeiten des Zweifelns geht, und am Ende vielleicht mit anderen Überzeugungen dasteht. Der Zweifel ist sehr oft nämlich nicht der Feind des Glaubens, sondern sogar ein guter Freund und Helfer, der nicht selten zu einer tieferen Gottesbeziehung führt.

Damit möchte ich nicht sagen, das der Zweifel ein Kinderspiel ist. Oh nein – zweifeln ist oft mit grosser Verunsicherung und Angst verbunden. Nicht selten fühlt man sich in solchen Zeiten innerlich enorm aufgewühlt. Aber ein Blick in die Bibel zeigt uns, dass grosse Glaubensheldinnen und Helden, auch grosse Zweifler/innen
waren.

Da ist zum Beispiel die Hiobsgeschichte so ziemlich genau in der Mitte der Bibel. Hier wird einem Menschen, der sein Leben im Wohlgefallen Gottes gestaltet, in kürzester Zeit alles genommen. Besitz, Kinder, bis hin zur Gesundheit. Die Antwort Hiobs auf diese schlimmen Schicksalsschläge ist zunächst einmal unglaublich beeindruckend: «Der Herr hat gegeben und der Herr hat genommen. Ich will ihn preisen, was immer er tut!» (Hiob 1:21 GNB)

Wenn man das so liest, bekommt man den Eindruck, Hiob hatte diese Art von unerschütterlichem Glauben, den wir auch selber gerne hätten und unseren Jugendlichen wünschen. Aber Hiobs Glaube war alles andere als unerschütterlich. In den darauffolgenden 30 Kapiteln zweifelt Hiob nämlich an allen möglichen Dingen: An Gottes Gerechtigkeit, an seiner Güte, ob das Leben überhaupt Sinn macht und lebenswert ist. Viele seiner Aussagen würde man heute wohl in den seltensten Fällen in einem Gottesdienst zu hören bekommen. Vor allem aber zweifelte er an ganz Vielem, was er bis zu dem Zeitpunkt geglaubt hatte. Was besonders beeindruckt an der Geschichte, ist die Tatsache, dass Gott am Ende dieses Ringen und Zweifeln von Hiob besonders würdigt und gleichzeitig Hiobs Freunde stark zurechtweist, weil sie mit aller Kraft versucht hatten, Hiobs Zweifel zu beseitigen.

Was bedeutet das für den Weg der Jüngerschaft? Wie können wir verantwortlich mit Zweifeln und Anfragen an bestimmte Glaubensüberzeugungen umgehen, wenn sie in uns oder auch im Leben junger Christen hochkommen, die wir begleiten? Es gibt eindeutig keine klare Formel, wie man erfolgreich mit Zweifeln umgeht, kein drei Schritte Programm durch die Zweifel hindurch, in welchem garantiert der Glaube vertieft wird. Einige Hinweise erweisen sich aber auf dem Weg als durchaus hilfreich.

Zum einen ist es wichtig, dass Zweifel im Glauben ihren Platz haben dürfen. Es ist eindeutig ungesund, wenn junge Menschen sich genötigt fühlen, ihre Zweifel zu unterdrücken. Ebenso, wenn ihnen zu schnell einfache Antworten auf die Fragen geboten werden, um sie zu Ruhe zu stellen. Um solch einen Platz zu schaffen, ist es ausschlaggebend, den Zweifel nicht als einen Feind und Gegner des Glaubens zu verstehen, sondern als ein absolut wichtiger Aspekt, der im Endeffekt auch durchaus eine Hilfe sein kann, in der tiefen Vertrauensbeziehung zu Gott und in der Jüngerschaft zu wachsen. Denken wir zum Beispiel an die Jünger auf dem Weg nach Emmaus, von denen in Lukas 24 berichtet wird. Als Jesus starb, waren sie zutiefst verwirrt und verunsichert und wussten nicht mehr, was sie glauben sollten. Sie hatten nämlich geglaubt, dass Jesus der Messias wäre, der sie von der Unterdrückung der Römer befreien würde. Nun war dieser Jesus aber gerade von diesen Römern umgebracht worden, was ihren Glauben zutiefst erschüttert hatte. Als Jesus, den sie nicht erkannten, sie auf dem Weg begleitete, bekamen sie zuallererst Raum, diese Zweifel und Enttäuschungen zu formulieren. Am Ende dieser Begegnung gelangten sie zu einem ganz neuen Verständnis von dem, was in Jesus geschehen war, das ihr Vertrauen zu Gott zutiefst veränderte.

Für den Prozess der Jüngerschaft heisst es, dass wir einander erlauben, Fragen an Gott zu stellen. Nicht einfach nur allein im stillen Kämmerlein, sondern auch im gemeinsamen Unterwegssein. Rachel Held Evans schrieb mal: «Problematisch wird der Zweifel nicht dann, wenn wir aufrichtig mit unseren Fragen zu Gott kommen. Destruktiv wird es erst, wenn wir aus Angst aufhören, solche Fragen zu stellen».

Zum Schluss noch eine Erfahrung aus meinem Leben. Zu den beängstigendsten Momenten meines Lebens gehörten die Zeiten, in welchen der Zweifel an Gott und am Glauben einen grossen Teil meines Alltags bestimmten. Am tröstlichsten war es dann, als ich aufrichtig und ehrlich mit Menschen meines Vertrauens über diese Zweifel reden konnte – oder auch einfach nur über die Tatsache, dass ich gerade wirklich nicht mehr wusste, was ich noch glauben sollte. Hilfreich war dann nicht ein Gegenüber, das mir alle Fragen beantwortete und den Versuch machte, mir alle Zweifel auszutreiben. Hilfreich waren die Menschen, die das einfach für den Moment mit mir aushielten. Ich weiss noch genau wie prägend es für mich war, als jemand in meinem pastoralen Team antwortete: «Es ist absolut ok, wenn du gerade nicht glauben kannst. Dann glauben wir halt einen Moment lang für dich».

Das ist eine ganz andere Erfahrung, als diejenige, die viele andere Menschen auf ihrem Weg der Jüngerschaft machen. Oft haben sie das Gefühl, dass die Zweifel so schnell wie möglich von den Mitchristen ausgetrieben und gelöst werden müssen. Wie wichtig aber ist es, dass wir als Christen Menschen sein können, die in Liebe auch mit den Zweifelnden gehen und ihnen das Gefühl vermitteln können, dass auch diese Etappe ihres Lebens ganz ok ist!

Riki Neufeld ist Bildungsreferent am Bienenberg und Teil vom Newleaders-Team.