Einen Wohlfühlort schaffen

An einem schönen Ort verwurzelt zu sein, die eigenen Räume mit Gästen zu füllen, sie zu bewirten und mit ihnen echte und bereichernde Beziehungen zu pflegen – das war schon immer unsere Leidenschaft Zufällig stiessen wir über ein Inserat auf ein 300-jähriges Haus in Steckborn TG, knappe 30km von unserem damaligen Wohnort entfernt Der versteckte Charme, die Grösse und die ländliche, aber doch nicht abgelegene Lage der ehemaligen Trotte begeisterten uns dermassen, dass wir bereit waren, unsere alte Heimat zu verlassen Aber nur, wenn es wirklich unserer Berufung entsprechen sollte.

Baubeginn

Vor über 10 Jahren warben wir also um dieses verheissungsvoll grosse Haus mit aus unserer Sicht grenzenlosen Möglichkeiten. Wir waren aufgeregt, motiviert und blauäugig. Gottlob. Ihm ist es nämlich zu verdanken, dass dieses Haus trotz dem fehlenden Vitamin B und finanziellen Polster dann tatsächlich uns zufiel. Während der scheinbar nicht enden wollenden Zeit des Umbaus kristallisierte sich erst richtig heraus, wofür wir uns mit dem Kauf entschieden hatten: Für unglaublich viele und vielfältige Kontakte – mit undurchsichtigen Immobilienmaklern, anspruchsvollen Denkmalpflegern, jungen kräftigen oder erfahrenen gemütlichen Arbeitern, ehemaligen Eigentümern, neugierigen Passanten, tüchtigen Mithelfenden, überraschten Besuchern, wohlwollenden Familienmitgliedern und einem allmächtigen Vater im Himmel, der die Übersicht behielt. Unterschiedlichste Menschen gingen in unserem Haus ein und aus und trafen da zusammen.

Berufung

Vom ersten Umbautag an war es unser Gebetsanliegen, dass sie alle Segen erleben dürfen und sich gerne bei uns aufhalten. So wurde die in unserem Herzen getragene Vision allmählich spruchreif: Das Erschaff en eines Ortes, an dem sich Menschen willkommen fühlen, sich gerne aufhalten und sich dabei auch herausfordern lassen, sich zu reflektieren und weiterführende Schritte zu finden. All dies schien in unserem Haus Realität werden zu können. Natürlich kommen uns dabei unsere Ausbildungen als Lehrer und Mediator (Markus) und Lehrerin, Maltherapeutin und Mosaizistin (Magdalene) zugute und natürlich stellt unser Haus ein essenzieller Baustein dafür dar. Aber ob jemand sich willkommen und angenommen fühlt, Vergebung erfährt oder dazu herausgefordert wird, seine Identität zu entfalten, hängt aus unserer Sicht von anderen grundlegenden Faktoren ab. Diese lassen sich auch ziemlich gut auf die Zusammenarbeit mit Teenies und Jugendlichen übertragen.

Voraussetzung

Hauptsächlich ist es die eigene Herzenshaltung, die einen wohlwollenden Kontakt ermöglicht – der innere Wunsch, jemandem seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Das bedeutet, dass wir ehrliches Interesse am Gegenüber empfinden. Wir hören aktiv zu, stellen uns Gott als Werkzeug zur 33 Verfügung und bitten ihn, uns die richtigen Fragen auf die Zunge zu legen. Daraus entsteht ein Gespräch, das weit mehr ist als ein Dialog. Wir dürfen zu Begleitern eines Wegabschnittes anderer Menschen werden, ohne sie in eine bestimmte Richtung lenken zu müssen. Je weniger wir wissen, desto demütiger begegnen wir dem anderen und desto abhängiger sind wir von Gott, der dann erst recht sein immenses Potenzial ausschöpfen darf.

Zeit und Raum

Um jemanden vorbehaltslos anzunehmen, braucht es also vor allem die eigene volle Aufmerksamkeit. Getragen wird diese von Raum und Zeit. Gerade dieser Zeitfaktor stellt sich immer wieder als unser persönliches grosses Lernfeld heraus. Es gestaltet sich als schwierig, neben einem durchgetakteten Alltag auch für ungeplante Kontakte oder spontane Hilfesuchende off en zu sein. Oft verhindern unsere Ziele, Vorhaben und Pläne spontane Begegnungen, da sie uns wie Scheuklappen auf unser selbst gesetztes Ziel fokussieren lassen. Dabei verpassen wir wunderbare Gelegenheiten des dankbaren, offenen und relevanten Kontakts. Der Raum, der für diese Begegnungen benötigt wird, ist unserer Meinung nach weit flexibler, als oft angenommen wird. Zu schnell versteift man sich auf die Gestaltung von Räumlichkeiten, investiert viel Zeit und Geld und wird danach enttäuscht, wenn die geschaffenen Räume nicht wie geplant genutzt oder ästimiert werden. Manchmal bedarf es «nur» unseren Herzensraum, der überall, auch draussen, im Zug oder im Einkaufszentrum zur Verfügung gestellt werden kann. Wir haben erlebt, dass die Menschen sich vor allem dann bedingungslos willkommen gefühlt haben, wenn sie merkten, dass sie nichts falsch, kaputt oder schmutzig machen konnten. Und das war mitten in unserer übelst staubigen Umbauphase, in einer provisorischen Stube mit improvisierten Möbeln, altem Holzboden, trüben Fenstern und schummrigem Licht, aber – vor allem – viel Aufmerksamkeit, Zeit und Raum.

Die Grundvoraussetzung liegt in der Herzenshaltung.

Was wir gelernt haben in all den Jahren lässt sich in folgenden Punkten zusammenfassen:

  • Für Annahme und Wertschätzung benötigt es ehrliche Aufmerksamkeit, Raum und Zeit.
  • Der Wohlfühlfaktor ist abhängig von Geschmack und Vorerfahrung, also so individuell, dass unmöglich alle berücksichtigt werden können.
  •  Lieber ein einfacher, mit Herz eingerichteter Raum, als topdesignt, aber unpersönlich.
  • Wichtige, offene Gespräche ergeben sich oft ungeplant.
  • Eine gerne in Anspruch genommene Anlaufstelle ist jemand, der sich auch spontan Zeit nimmt.

Magdalene und Markus
Kuhn leben ihre Berufung
www.imblickwinkel.ch

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