Wie mache ich unsere Teamkultur sichtbar?

Welche Teamkultur lebt ihr? Meine liess sich lange Zeit so zusammenfassen: Ich entscheide, die anderen machen. Doch eines Tages sagte meine Frau: «Wenn du das Ziel setzt, hat dein Team nichts zu verlieren, wenn es nicht erreicht wird. Wenn aber das Team das Ziel definiert, wollen es alle unbedingt erreichen.»

Also habe ich Retraiten geplant, an denen ich mit dem Team neue Visionen, Ziele und Strategien entwickelt habe. Später lernte ich sogar, dass es wichtig ist, dass nicht nur das Team dies macht, sondern die gesamte Jugendarbeit. Methoden und Modelle dazu gibt es viele. Ich empfehle heute, dass solche Prozesse von Externen geleitet werden sollen. So erhält das Resultat weniger eine Färbung vom Jugendpastor oder von den Leitern, die sowieso alles bestimmen oder besser wissen. Meine Erfahrung zeigt, dass auf solchen Retraiten Prozesse in dieser Weise besser gelingen und die Jugendlichen und Teenager stärker mobilisiert und freigesetzt werden.

Aber was bedeutet das in der Praxis? Es ist wichtig, die Teamkultur in diese Richtung zu entwickeln. Du kannst nicht einfach sagen: «Ab morgen machen wir das so.», denn: Was hat mein Team zu verlieren, wenn es nicht klappt? Also plane Entwicklungsprozesse, indem du zuerst das Team und anschliessend deine Jugend- oder Teeniearbeit erreichen und mobilisieren möchtest. Die Fragestellung ist: «Was wollen wir? Wofür machen wir Jugendarbeit? Und: Was ist unser Auftrag?»

Ich empfehle dir ein Wochenende oder eine Sitzung mit deinem Team, mit ausschliesslich dieser Thematik. Wenn ihr könnt, ladet jemanden ein, der diesen Abend für euch plant und durchführt, dann kannst auch du als Leiter einfach Teil des Teams sein und musst nicht leiten.

Dann geht es in einer ersten Phase darum, das Team zu erleben. Wie geht es jedem im Team? Was ist sein Herzschlag? Was und wofür ist er in der Jugendarbeit tätig?

Man kann das anhand einer Skalierungsaufgabe machen. Das macht grad auch bei grossen Teams mega Spass: Ich wurde für ein Visionsweekend einer Jugendarbeit eingeladen (30 Personen). Mit ihnen habe ich diese Skalierung wie folgt gemacht:

Im Raum habe ich Punkt A und Punkt B markiert.

A bedeutete 0 und B 10.

Dann kamen die Fragen: «Ich fühle mich in der Jugendarbeit wohl» – und sie mussten sich auf dieser Skala einordnen. Anschliessend erzählt jeder kurz dem Nachbarn, wieso sie genau an diesem Punkt standen. Dann die nächste Frage: «Ich weiss, wieso wir Jugendarbeit machen.» Wieder folgt die Positionierung und der kurze Austausch. Die Fragen wurden immer fokussierter, so dass die nötige Tiefe entstand für die nächste Übung.

Ich verteilte verschiedene Bilder auf dem Boden und bat die Leiter, sie sollen ein Bild nehmen, das sie ganz spontan anspringt und das sie für die Jugend-/Teeniearbeit sinnbildlich als passend empfinden.

Nachdem jeder so ein Bild genommen hatte, gab ich einen kurzen Input zum Thema Kultur und dass unsere Haltung und unsere (oft versteckte) Motivation, wieso wir wirklich Jugendarbeit machen, die Kultur prägt.

Als Beispiel nahm ich eine Erkenntnis aus meiner Leitungskultur: Ich leitete eine Sitzung. Die Traktanden waren dicht und die Zeit wie immer knapp. Also habe ich recht straff geführt und abweichende Gespräche unterbunden. Als dann unter Diverses noch der Punkt kam, dass ich von jedem aus dem Team einen dreizeiligen Steckbrief möchte für die Website, explodierte eine Person förmlich. Sie warf mir an den Kopf, dass sie keine Zeit habe, dass alles zu viel sei, dass sie nicht mein Sklave sei und dass sie sowieso überlege, ob sie hier am richtigen Ort sei.

Diese Explosion an Emotionen war nicht unsere Teamkultur und auch überhaupt nicht an der Tagesordnung. Es kam für uns alle total überraschend. Für mich war es in dem Sinn lehrreich, da es mir ganz deutlich den Spiegel vorgehalten hat, wie mein Leitungsstil war. Ich sah den Auftrag, aber nicht den Menschen. Ich wollte produktiv sein und war bereit, dafür auch über Grenzen der Teammitglieder hinaus zu gehen. NICHT GUT! Ich wollte ein guter Leiter sein, etwas leisten und dadurch – das ist meine unbewusste Haltung – Lob und Anerkennung einstecken und ernten.

Zurück zum Bild, welches die Leute in der Übung ausgewählt hatten. Es zeigt ebenfalls die unbewussten Seiten ihrer Haltung und Kultur. Darüber sollten sie jetzt ins Gespräch kommen. In kleinen Gruppen stellen die Leute ihr Bild vor.

Wenn alle dran waren, gibt es ein sogenanntes «Reflecting-Team»: Die Person, welche das Bild nahm, dreht sich mit dem Rücken zum Team. Das Team interpretiert und diskutiert hinter dem Rücken der Person, was sie vermuten, was das Bild aussagen könnte. Dabei wird nicht diskutiert, sondern einfach gesagt, was man so spürt und sieht.
Die Person, die das Bild gewählt hat und mit dem Rücken zum Team sitzt, schreibt dabei auf, welche Sätze in ihr etwas auslösen, was etwas bei ihr triggert. Anschliessend besteht die Möglichkeit, freiwillig Stellung dazu zu beziehen.
Durch solche Übungen können ehrlich und blinde Flecken aufgedeckt werden. Nicht mit dem Ziel, kaputt zu machen oder das Schlechte zu verurteilen. Nein, es geht darum, als Team und als Jugendarbeit Neues zu entwickeln.

Wir haben zum Beispiel gemerkt, dass unser Begrüssungsteam nicht so einladend wirkt. Bei diesem Prozess hat sich das Team selbst reflektiert und gemerkt, dass sie die Leute unbewusst gar nicht wirklich willkommen hiessen. Klar, sie sagen die passenden Worte, aber ihre Haltung war eine andere. So haben überlegt, wie sie wirklich und authentisch ihren Dienst wahrnehmen können. Das erste, was sie sich wünschten, war im Leitungsteam einen Delegierten haben, um noch mehr Teil der ganzen Arbeit zu sein und nicht nur ein Dienstbereich. Herrlich, wenn so etwas geschieht!

Um nachhaltige Veränderung bewirken zu können, müssen und dürfen wir den Mut haben, die Kultur sichtbar zu machen. Ich rate aber nicht, dies als Leiter anzustossen im Sinn von: «Deine Kultur ist…», sondern durch einen Prozess, währenddessen die Person selbst merkt, welche Kultur sie lebt und welche unbewussten Motive sie antreiben.

Michi Dufner ist verheiratet, hat 5 Kinder, arbeitet für FEG Next Generation und ist Teil vom Newleaders-Team. Dies ist ein Beitrag aus dem Newleaders Magazin 2018.

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